Buntes Graffity an einer Klinkerwand. Oberhalb des Graffities der handgeschriebene Schriftzug "Almost Beyond"

KRIEG UND FRIEDEN.

Es ist Samstagmorgen, die Sonne scheint. Genau richtig für einen Flohmarktbesuch. Ich schwinge mich auf mein Rad und düse los. An einem Zebrastreifen, direkt hinter einem Kreisverkehr, sehe ich links zwei Passanten. Gas geben oder bremsen? Eine Blitzentscheidung. Weil ich so einen guten Schwung habe, fahre ich mit meinem Fahrrad einen Bogen. In dem Moment kommt von rechts ein weiterer Fußgänger, den ich übersehe. Ich weiche schwungvoll aus. Da hallt es hinter mir “F*** DICH.” Ich traue meinen Ohren nicht und pariere “wie bitte”? Erneut: “F*** DICH.” Ein paar Meter weiter halte ich rechts an und schaue zurück auf den Pöbler, der einfach weiter läuft. Da hält ein SUV neben mir mit heruntergelassener Scheibe und eine Frau schreit aus dem Fahrzeug, “du hast wohl keine Bremsen”?

Ich bin sprachlos. Nicht darüber, dass ich mit meinem Fehlverhalten etwas auslöse. Sondern über die Heftigkeit der Reaktion. Und warum greift mich die Autofahrerin an, die gänzlich unbeteiligt ist? Dass sie sich einmischt, empfinde ich als übergriffig. Dass sie mich duzt als herablassend.

Auf dem Weg zum Flohmarkt sortiere ich meine Gedanken. In was für einer Gesellschaft leben wir? Ich wohne doch nicht in Berlin-Neukölln, wo man vielleicht damit rechnen müsste, angepöbelt zu werden. Harvestehude gehört zu den besten Gegenden Hamburgs. Der Pöbler war ein überdurchschnittlich gut aussehender und adrett gekleideter Mann.

Woher kommt nur diese kurze Zündschnur? 

Diese Wut beobachte ich seit einiger Zeit – gut festzustellen im übrigen an Wartepunkten, wie z.B. der Supermarktkasse. Schnell wird die Kassiererin abgebügelt, die wie ich Auslöser dieser Wut ist. Das Ganze muss einen größeren Zusammenhang haben. Ich kann mir das nur so erklären, dass die weltliche und politische Lage uns immer stärker in das Gefühl von Machtlosigkeit hinein manövriert. Und wir folglich immer ängstlicher in die Zukunft blicken. Durch äußere Reize, die mit der Ursache unserer Wut nichts zu tun haben, reagieren wir dann schnell wie eine Ladung Dynamit. 

Ich glaube, es ist elementar für das Wohlergehen der Menschheit, dass wir unser Verhalten auf neue Weise reflektieren und verantwortungsbewusst miteinander umgehen. Denn hier ist eine Dynamik im Spiel, die wir nur aufhalten können, wenn wir aufhören, andere für unsere Situation verantwortlich zu machen.

Jeder Mensch ist Meister seines Schicksals; es ist an uns, die Ursache des Glücks zu schaffen. Das liegt in unserer eigenen Verantwortung und nicht in der irgendeines anderen.” (Dalai Lama).


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