An meinem letzten Tag meiner Israel-Reise erfahre ich, was es heißt, in Deckung zu gehen. Es ist Samstagmorgen, 7h30. Ich möchte noch einmal am Strand entlanglaufen und das Meer unter meinen Füßen spüren. Als ich mein Apartment verlassen will, höre ich Sirenen aufheulen und schaue auf mein Handy. Meine Freundin aus Tel Aviv schreibt: „Habt ihr n Bunker? Flur? Keller? Du musst dorthin. Es ist Raketenalarm. Starker Beschuss aus Gaza. JETZT.“
Ich verlasse mein Apartment und setze mich zu den anderen Flüchtigen ins Treppenhaus. Mein Herz klopft bis zum Hals. Ich höre entfernte Einschläge. Sie gehen durch Mark und Bein. Der Knall ist über eine große Distanz spürbar, weil der Iron Dome beim Abfangen der Raketen einen höllischen Krach macht.
Nach 10 Minuten tapern alle wieder in ihre Wohnungen zurück. Ich bin verunsichert und frage eine Freundin, wie man sich am besten verhält: „Du hast nach der Sirene 60-90 Sekunden Zeit, um in Deckung zu gehen,“ sagt sie. „Nachdem es BUMM gemacht hat, wartest du noch 3 Minuten und gehst dann wieder in deine Wohnung.“ Sie bringt ihre Botschaft mit verblüffender Nüchternheit rüber.
Weil ich nichts mehr zu essen im Haus habe und mir der Magen am Nachmittag auf der Erde hängt, wage ich mich mit weichen Knien vor die Tür zum Supermarkt. Eine Stunde später kommt der nächste Sirenenalarm. Ganz in meiner Nähe schlägt eine Rakete ein. BUMM… Es gibt Verletzte. Um ein bisschen zur Ruhe zu zukommen, verbringe ich die Nacht in einem nahe gelegenen Schutzbunker auf meiner Yogamatte. Aber von Ruhe keine Spur. Bei jedem noch so kleinen Geräusch zucke ich zusammen und bin hellwach.
Mit sehr schwerem Herzen fliege ich am Sonntagabend über Umwege zurück nach Deutschland. Es gibt mittlerweile eine Handvoll Israelis, die mir wichtig sind. Und es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich daran denke, was sie durchmachen. Der Dalai Lama hat einmal gesagt: Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Art.
Ich melde mich freiwillig, eure Heiligkeit.
Zum Geschichtenerzählen und für die Liebe.