Am zweiten Weihnachtsfeiertag hat sich mein Bruder aus seinem Leben verabschiedet. Einfach so. Ganz plötzlich. Mit Mitte 50. Die Ärzte im Krankenhaus haben ihn 40 Minuten lang versucht wiederzubeleben. Eine grauenhafte Vorstellung! Als Kind habe ich meinen großen Bruder bewundert. Er war eine richtig coole Socke und ich war mächtig stolz auf ihn. Wir sind aufs gleiche Gymnasium gegangen und meine Welt war in Ordnung.
Was mit einem passiert, wenn man aus heiterem Himmel ein Familienmitglied verliert, ist kaum beschreibbar. Da taucht plötzlich etwas auf, was man sich nicht vorstellen kann und worauf man nicht vorbereitet ist. Trauer ist ein Sammelbegriff für all das, was unkontrollierbar an Gefühlen über einen hereinbricht. Eine Melange aus Überforderung, Erstarrung, Wut und Traurigkeit – gemischt mit der Sorge, für das Umfeld kompliziert und unbequem zu sein. Meine Gefühle wechseln ständig. Trauer ist sprunghaft, verwirrend und definitiv nicht linear.
Wir sind in unserer Gesellschaft gewohnt, Gefühle wie Freude, Glück und Liebe zu teilen. Das Thema Tod wird oft ausgeklammert. Dabei ist Sterben Teil der Wirklichkeit. Es gibt eben auch dunkle Gefühle wie Angst, Ohnmacht und Einsamkeit. Diese Seite ist genauso real wie die andere. Ich bin dabei, die Vielfalt zu entdecken, die zwischen Schwarz und Weiß liegt und mich nicht davor zu fürchten, dass die Welt mehrdeutig ist und dass Gutes & Schlechtes sowie Leichtes und Schweres dicht beieinander liegen dürfen. Denn beides ist wahr.
Ach Bruderherz, ich spüre, dass deine Seele dort, wo du jetzt bist, frei ist und du im Flow und in Frieden bist. Wir werden uns eines Tages wiedersehen. Aber jetzt noch nicht – ich habe noch einiges vor ;-). Spann deine Flügel auf und flieg’ schon mal vor.
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