In meiner letzten Räuberleiter schreibe ich über die Achterbahnfahrt, die das Leben immer wieder für uns bereithält. Nicht aus der Kurve zu fliegen, ist manchmal ein ziemlicher Balanceakt. Deshalb versuche ich, Herausforderungen als persönliche „Übungsmatte” zu betrachten. Ich bin durch meine tägliche Reflexionspraxis so stabil, dass ich meine Emotionen, die ich durch meine Gedanken auslöse, regulieren kann. Was nicht heißt, dass bestimmte Themen, insbesondere das Thema „Ablehnung“, für mich leicht zu verkraften sind.
Durch die Erfahrungen der letzten Jahre wird mir immer klarer, wie ich gestrickt bin und woher meine Angepasstheit und meine Angst vor Ablehnung kommt: Ich entwickle als Kind ein sogenanntes „Über-Ich”, das fremdbestimmte Regeln, Werte und Normen übernimmt: von meinen Eltern, durch Schule, Gesellschaft und mein direktes Umfeld.
Das Über-Ich, so Sigmund Freud, „wacht“ über uns und kann Scham und Schuldgefühle erzeugen, wenn wir Regeln verletzen. Es ist ein strenger innerer Diktator und hat über Jahrzehnte bei mir zu einer starken Angepasstheit geführt. Um einerseits Ablehnung zu vermeiden und andererseits die Zustimmung anderer zu gewinnen. Dies diente dazu, mit den Erwartungen, die ich mir selbst unbewusst auferlegt hatte, im Einklang zu bleiben. Doch auf Dauer führte diese Anpassung zu inneren Spannungen und zu großer Wut, da ich meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche dem Über-Ich “geopfert“ habe, um Ablehnung zu vermeiden.
Jeder von uns hat seine persönliche „Übungsmatte“ des Lebens. Für mich ist es die Herausforderung, meinen Selbstwert unabhängig von den Erwartungen meines Über-Ichs und den Erwartungen meines Umfeldes zu erkunden und zu stärken. “Nackenschläge” betrachte ich deshalb als „Übungsmatte”, um mich sukzessive aus alten Verstrickungen heraus zu emanzipieren. Und um authentisch und selbstbestimmt zu leben. Auch wenn der Preis manchmal hoch ist.
Man wacht eben nicht eines Tages auf und ist ein Schmetterling.
Wachstum ist ein Prozess.