Wenn man fast zwei Jahrzehnte monogam mit einem Mann zusammengelebt hat, ist die erneute Annäherung an das andere Geschlecht ein kleines Abenteuer. Für mich fühlt es sich an wie eine Zeitreise in die 90er-Jahre: Ich war damals Ende 20 und Single. Gefühlt habe ich in meiner Ursprungsfamilie zu wenig Liebe und Nähe erfahren. Deshalb sehnte ich mich nach einem Partner, der mich „nach nährt“. Und mit dem ich eine eigene Familie gründen kann. Dabei verliebte ich mich primär in denselben Typ Mann: kraftvoll-maskulin und seeehr charismatisch. Also genau das Männerbild, das ich zu Hause vorgelebt bekam: Durch meinen Vater, den ich idealisiert habe und um dessen Liebe ich stets kämpfte. Unglücklicherweise dauerten meine Liebesbeziehungen nie länger als ein paar Monate. Es war jedes Mal ein qualvoller Prozess. Und das Gefühl „Liebe ist ein schmerzhafter Kampf, den ich immer verliere” wurde zu meiner inneren Realität.
Eine gescheiterte Ehe und 21 Jahre später verliebe ich mich erneut in einen Mann. Plötzlich steht er da und schaut mich an. Mit seinem Röntgenblick. Kraftvoll-maskulin und seeehr charismatisch. Und im Handumdrehen bin ich gefühlt wieder Ende 20 und konstant im Autopiloten unterwegs. Ich realisiere nicht, was mit mir passiert. Mit dem Ergebnis, dass ich wie der „pawlowsche Hund“ unbewusst in mein 90er-Jahre-Verhalten rutsche und nur sehr eingeschränkt manövrierfähig bin. Da der Röntgenblick-Mann keine Liebesbeziehung mit mir eingehen möchte, spüre ich, wie die längst vergessenen Narben wieder aufreißen und meine innere Realität mir ins Ohr brüllt: Liebe bedeutet Schmerz!
Erschreckend, wie alte Muster sich nach Jahrzehnten von hinten anschleichen und uns von rechts überholen. Da drückt jemand auf meine alte “Vater-Wunde” und löst dabei etwas so Archaisches aus. Alter Schwede tut das weh! Genau darin besteht die Kunst: den Schmerz und das längst „abgelaufene“ Muster zu transformieren. Ich schreibe also meine Geschichte um, indem ich neu wähle. Damit öffne ich den Raum für ein neues Wesen von Mann, den ich in mein Feld ziehe – jenseits meiner „Programmierung“. Das ist das Gesetz der Resonanz.
Auch wenn mein Herz schwer ist, fühle ich, dass es da draußen eine Seele gibt, die mit der Schönheit & Melodie meines Herzens in Resonanz geht. Eine, die mir guttut und mich nährt. Ich vertraue ins Leben. Es wird wissen, wann der richtige Moment gekommen ist.