STÄRKENKOMPASS

Samstagmorgen: Ich sitze mit Coach- und Trainerkolleg*innen in einem Workshop namens “Stärkenkompass”. Es geht, na logisch, um die eigenen Stärken, über die wir uns meistens nicht in vollem Umfang bewusst sind. Da hilft der Blick von außen, um sich noch besser zu verstehen. Einige Wochen vor Beginn des Workshops wurde uns über ein Online-Tool eine Liste mit 140 Stärken bereit gestellt, von denen jedem Teilnehmer 40 zugeordnet werden mussten damit eine Essenz der meist genannten entstehen kann.

Dann, am Trainingstag, die spannende Frage: Gibt es für jeden eine herausragende Stärke, woran man ihn erkennt? Torben, der leitende Trainer, händigt jedem eine fremde Profil-Analyse aus, mit der Aufgabenstellung: “Bitte pickt euch aus der euch vorliegenden Auswertung eine der 40 Ressourcen heraus, die ihr bei dieser Person als besonders bemerkenswert erachtet. Alle anderen müssen erraten, um wen es sich handelt.”

Die Raterunde beginnt und die ersten Stärken, die Personen zugeordnet werden, sind “präsent”, “konzeptionsstark” und “empathisch”. Ich lächle in mich hinein und rechne damit, dass in Kürze mein Name fällt. Aber es passiert nix.

Mittlerweile sind nicht mehr viele Profile übrig und meine Anspannung steigt. Als eine Kollegin die Stärke “elegant” heraus pickt, ahne ich, dass ich gemeint bin. Mein Lächeln gefriert. “Wie jetzt…. das ist alles?”, frage ich mich fassungslos. Warum um Himmels Willen soll von 40 wunderbaren Stärken ausgerechnet “elegant” meine Herausragende sein? Mein Ego beginnt sofort sich mit den anderen Teilnehmer*innen zu vergleichen und ich komme nicht gut dabei weg. Denn “Konzeptionsstärke” klingt nach Substanz – Eleganz eher nach Oberfläche. Und wer will schon als elegante Oberfläche durchs Leben gehen? Statt mich über die neu gewonnene Stärke zu freuen bin ich fast deprimiert.

Genau so funktioniert unser oft negativer, innerer Dialog: Wir schauen auf das, was wir gerne hätten und verlieren den Blick für das Goldstückchen, das  direkt vor uns liegt. Jetzt hilft nur ein radikaler Wechsel der Perspektive. Der Duden hilft dabei und definiert Eleganz als „vornehm, harmonisch, gewandt und kultiviert”. Langsam kommen wir der Sache näher. Es tut sich eine neue Welt auf, die es gilt aufmerksam zu erkunden.

Die Fähigkeit so einen wichtigen Perspektivwechsel sofort und reflexartig durchzuführen, gehört definitiv noch nicht zu meinen Stärken, ist aber mit Bewusstheit und etwas Disziplin trainierbar. Alles in allem also ein wertvoller Weg, den mir der Stärkenkompass gewiesen hat.

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