Neulich bei meiner Ärztin in der Praxis: Die Arzthelferin bietet mir an, dass ich das verordnete Präparat bei ihr käuflich erwerben kann. Ich könnte mir so den Gang zur Apotheke sparen! Wie pfiffig, denke ich und wackle glücklich mit Präparat und Rezept von dannen.
Eine Woche später teilt mir meine Private Krankenversicherung mit, dass das Rezept nicht die formalen Anforderungen erfüllt und die Kosten nicht erstattet werden. Es fehle die „PZN-Nummer“. Das Sympathie-Konto, das ich im Geiste für die Arzthelferin angelegt habe, rutscht blitzartig ins MINUS. Verdammt, höre ich mich empört sagen…. sowas müssen die in der Praxis doch wissen. Ich greife genervt zum Telefon. Nach zwei Minuten bringt mich die Arzthelferin mit dem Klassiker „das machen wir immer so; da gab es noch nie Probleme“ in Rage. Ich bin so wütend, dass ich auf die Schnelle meine mediative Brille nicht finden kann und höre mich angestrengt sagen: „Wissen Sie, ich bin Patientin bei Ihnen und würde mir wünschen, dass Sie etwas hilfsbereiter mit meinem Anliegen umgehen“. Die junge Frau stammelt in den Hörer, sie würde sich kümmern und legt auf.
Zwei Tage später liegt ein Umschlag in der Post. BINGO, denke ich – geht doch. Als ich das Rezept in den Händen halte, falle ich aus allen Wolken. Das Feld, in dem die PZN-Nummer hätte vermerkt sein müssen, ist leer… Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln und einen gedanklichen Neustart zu machen. Dann stelle ich mir die Räuberleiter-Frage: WELCHEN Anteil habe ich? Und WAS hätte ich WIE anders machen können?
Ich war wütend über den zusätzlichen zeitlichen Aufwand, der mir durch das falsch ausgefüllte Rezept entstanden ist und bin vorwurfsvoll und mit sehr viel Druck in das Telefonat eingestiegen. So ein Druck löst beim Gegenüber in der Regel Widerstand aus. Hinzu kommt, dass wir Menschen in stressigen Momenten hirntechnisch nicht in der Lage sind uns empathisch in den anderen hinein zu versetzen oder uns für das Problem des Gegenübers zu interessieren.
Mit der Erkenntnis, dass ich mit meiner Haltung Einfluss auf die Reaktion des Gegenübers nehme, erscheine ich erneut in der Praxis. Mit dem Ziel den Konflikt freundlich-zugewandt zu klären. Dabei hat sich übrigens herauskristallisiert, dass beim zweiten Rezept die PZN-Nummer notiert wurde – allerdings nicht an der dafür vorgesehen Stelle. Die Arzthelferin entschuldigt sich für den zeitlichen Aufwand, der mir entstanden ist und plötzlich scheint mir das Ganze Gewese um PZN-Nummern doch ziemlich trivial. Ich verabschiede mich mit meinem 3. Rezept in der Tasche und nehme mir vor, dass ich zukünftig erst einen gedanklichen und emotionalen Neustart mache bevor ich zum Hörer greife.